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Tag 3

Okok, ich sagte bald ginge es weiter. Aus “bald” ist in etwa ein halbes Jahr geworden – aber wie heisst es bei Mono & Nikitaman? Kann ja mal passieren! In meiner ersten Fassung stand hier der geile Satz “Mittlerweile bin ich natürlich zurück.”, gut ich denke das muss ich jetzt nicht mehr extra betonen, aber gut – weiter gehts.

The adventure continues…

Eine Nacht im Eis

Wie ist es nun also eine Nacht bei -5°C zu verbringen? Eigentlich ziemlich nett. Man schläft also auf einem Bett aus Eis, auf diesem liegt eine Matratze, darauf das obligatorische Rentierfell. Bis hierher ist man schon mal recht gut von der Kälte isoliert, aber natürlich bleibt die Luft kalt also muss noch ein Schlafsack her. Dieser wird inklusive eines baumwollenen Hygiene-Inlays vom Hotel zur Verfügung gestellt.

Zimmer

Anders als in einem normalen Hotel, hat man im ICEHOTEL seine persönlichen Dinge nicht im Zimmer, denn die Eiszimmer sind zum einen gar nicht abschließbar. Stattdessen haben sie nur einen Vorhang, dort wo normalerweise eine Tür wäre. Die Sachen hat man in einer kleinen abschließbaren Kabine oder einem großen Schließfach, je nach dem ob Snow Room, Ice Room oder Art Suite. Zum anderen sind die Eiszimmer tagsüber öffentlich für die Besichtigungen zugänglich, man muss also rechtzeitig aus dem Bett sein, sonst wird man von den Touristenhorden geweckt. Ich hatte das Glück in einer Art Suite schlafen zu können und zu einer solchen gehört eine kleine persönliche Umkleidekabine. In dieser kann man sich nicht nur umziehen, sondern auch alle persönlichen Sachen lagern und einschließen. Die Umkleidekabinen sind zusammen mit Duschen, Toiletten, Sauna, Rezeption und vielem mehr in einem der warmen Gebäude das in unmittelbarer Nähe des eisigen Teils des Hotels steht. Hier bekommt man am Abend seinen Schlafsack ausgehändigt und kleidet sich, wie es empfohlen wird, nur noch in Thermounterwäsche und Socken. So ausgestattet bibbert man sich, natürlich schon noch mit Schuhen für den Weg, aus dem Warmen, rüber ins Eis und bettet sich auf sein Nachtlager.

Schlaf

Erstaunlich unkompliziert ließ sich diese Nacht verbringen, man sollte jedoch keine Platzangst haben, denn es ist dringend angeraten den Reißverschluss des Mumienschlafsacks auch wirklich bis oben hin zuzuziehen, da es sonst wirklich kalt wird. Macht man jedoch alles wie es empfohlen wurde, so stellt sich schon nach kurzer Zeit eine wirklich angenehme Wärme im Inneren des Schlafsacks ein und einer angenehmen Nacht steht nichts im Wege. Eigentlich auch irgendwie schade, jetzt einfach das Licht auszumachen, die Schönheit der Eisskulpturen hätte man auch noch ein paar Stunden lang anschauen können, aber morgen haben wir ja auch viel vor.

Obwohl es in der Nacht bis weiter unter -15°C kalt wird, bleibt es im ICEHOTEL-Inneren bei konstanten -5°C, egal was sich draußen abspielt – das Schneedach isoliert hervorragend, ebenso übrigens die Schneewände: Schnarchende Zimmernachbarn oder überhaupt irgendwelche Geräusche sind in der Nacht nicht zu vernehmen. Herrliche Ruhe. Einzig Leute die sich nachts gern drehen und wenden in ihrem Bett dürften unruhiger schlafen, da man sich in/mit so einem Mumienschlafsack von der polaren Sorte nicht mal eben ohne bewusste – will sagen: wache – Interaktion auf die Seite oder wieder zurück drehen kann. Zumindest nicht ohne den Kontakt zwischen Gesicht und dem kleinen Loch durch das man atmet und guckt, zu verlieren.

Der morgen beginnt mit dem Wecken durch die Mitarbeiter des ICEHOTELs, die durch die Zimmer und Suiten gehen und die Leute wecken. Einen Wecker oder überhaupt nur eine Steckdose haben die Zimmer nämlich nicht und auch von den persönlichen Dingen hat man hoffentlich nichts hierher mitgenommen das nicht frostfest wäre. Der Mitarbeiter hat jedenfalls einen Becher warmen Lingonberrysaft, die in Nordschweden scheinbar allgegenwärtige Preiselbeere, dabei. So angewärmt zieht man dann mit dem Schlafsack unterm Arm zurück in das warme Gebäude: Sauna, Dusche und Frühstück warten.

..und Action

Nach ausgiebiger Stärkung – natürlich waren wieder Lingonberries involviert, diesmal als Marmelade – steht heute eine Tour auf Schneemobilen an. Jeder packt sich warm ein und speziell die 2-3 Leute die die ganze Zeit mit Spiegelreflexkameras unterwegs waren, fragen sich wie sie diese wohl am besten transportieren sollen. Ich entscheide mich für eine Tasche am Gürtel unterm Overall. Dadurch sehe ich zwar nun etwas verbeult aus, die Kamera ist aber dank Reißverschluss an der Overallseite gut zugänglich und gleichzeitig frostsicher verpackt, kann also losgehen.

Polaris Snowmobile

Wir bekommen Helme, von denen mir leider weder L noch XL so richtig passen will, und im Anschluss eine Einweisung in unsere Polaris Schneemobile. Entsprechend meiner Erinnerungen an das Motorradfahren im deutschen Winter, beschlich mich schon der Gedanke, dass man mit einem geschlossenen Integralhelm wohl mehr mit einem beschlagenen und in der Konsequenz zugefrorenem Visier kämpfen würde als alles andere und ich lag wohl nicht falsch. Hier fährt, trotz der Kälte, jeder einen offenen Helm – sogar gänzlich ohne Visier. Als einziger Gesichtsschutz dienten mir dann also eine klassische Bankräubersturmhabe und meine Sonnenbrille. Nichts desto trotz kann einem bei den auf den ebenen und schnellen Passagen auf dem zugefrorenen Torne, dem Fluss aus dem u.a. auch das Hotel gebaut ist, schon mal leicht das Gesicht einfrieren, irgendwie ging es trotz ca. -15°C dennoch einigermaßen problemlos.

Schneemobil fahren ist eine wahrlich beeindruckende Sache!

Kette eines Snowmobiles

Der Grip den die Ketten auf dem Schnee und Eis entwickeln ist wahrlich überraschend. Egal wie stark man am Kabel reißt, es fast nicht möglich dem Antrieb Schlupf zu entlocken. Ganz anders jedoch im vorderen Bereich, die Seitenführung der Kufen die zum Lenken dienen ist zwar, entsprechenden Krafteinsatz vorausgesetzt, in Kurven recht überraschend, jedoch sind die Gefährte speziell bei Richtungsänderungen gewaltig untersteuernd unterwegs und müssen mit harter Hand von der neuen Richtung überzeugt werden. Man gewöhnt sich jedoch recht schnell an die Fahreigenschaften und kommt schon nach kurzer Zeit gut klar. Die Beschleunigungswerte liegen im Bereich eines normalen Motorrads und mit der Bremse sind beeindruckende Werte möglich. Wir erreichten auf unserer Tour auf den ebenen Passagen Geschwindigkeiten von über 80 km/h, jedoch fand der Großteil der Tour eher auf kleineren Wegen statt und war mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von 10-30 km/h dafür verantwortlich, dass wir auf unserer etwa 100km langen Tour dennoch fast 5 Stunden unterwegs waren.

MEIN Schneemobile

Unser Weg führte überwiegend durch die Wälder im Gebiet westlich von Kiruna immer auf oder in der Nähe des Torne. Auf den teilweise sehr hügligen kleinen Wegen die von anderen Schneemobilen, die hier eines der beliebtesten Fortbewegungsmittel sind, schon platt gefahren worden sind muss man sich schon recht ordentlich festhalten um nicht durch das permanente Auf und Ab aus dem Sattel gehoben zu werden. Zum Glück sind Schneemobile außerordentlich gut gefedert und gepolstert. In der Gruppe mit insgesamt 7 Gefährten á 2 Personen, plus des deutlichen flotteren Gefährts unseres Guides waren wir im Wald immer eher in einer Art Entenmarsch hintereinander unterwegs. Auf den freien Stücken, über Seen, Wiesen oder Flüsse, konnte man dann auf breiter Front in zwei oder drei Reihen nebeneinander richtig Gas geben – das macht unglaublich viel Spaß. Aber auch im Wald gibt es bei vereinzelten Rentiersichtungen und einfach unglaublich vielen Bäumen und Schnee tolle Ausblicke zu genießen.

Eines unserer Zwischenziele stellte der Gipfel des alten Minenbergs von Kiruna dar. Kiruna hat die größte und eine der tiefsten Eisenerzmienen der Welt und die Abraumberge die sie dadurch anhäufen bestimmen auf imposante Weise das Stadtbild. Von diesem Berg aus, auf den wir uns auf einem kleinen und recht engen Serpentinenweg hochgearbeitet haben, hat man einen fantastischen Blick über das Umland und auf die Stadt Kiruna selbst.

Panorama über Kiruna

Unser nächstes Ziel ist eine Blockhütte irgendwie im Nirgendwo der endlosen Wälder. Unser Guide scheint die Gegend aber wie seine Westentasche zu kennen und so kommen wir nach unzähligen Abbiegungen an immer gleich aussehenden Nadelbäumen sicher und noch vor den beiden anderen Gruppen an den Hütten an.

In den urigen Blockhütten brennt in der Mitte ein großes Holzfeuer und es ist warm genug um den Overall wenn schon nicht auszuziehen, denn das wäre ein größerer Akt, so doch wenigstens mal richtig weit aufzumachen. Auf dem Feuer, um das sich so langsam die ganze Gruppe versammelt, kocht erstmal der unausweichliche heiße Lingonberrysaft und später eine sehr schmackhafte und leicht scharfe Elchsuppe. Dazu gibt es natürlich auch wieder Rentier, diesmal in Form einer Polarroll.

Check-In Warm

Die zweite Nacht verbringen wir nicht mehr im Eiszimmer, sondern in einem anderen Teil des Hotels. Dieser besteht aus vielen kleinen Blockhütten-artigen Häusern die jeweils 4-6 Hotelzimmer der üppigeren Sorte enthalten. Ich erhalte ein Doppelzimmer für mich allein und komme in den Genuß all die Sachen aus meinem Rucksack auszupacken und zu begutachten. All die Sachen, die ich mitgenommen hatte um mich warm und frostfrei zu halten und nun nicht mal auch nur zu einem Drittel benötige. Die vom Hotel gestellten Sachen sind derart perfekt für dieses Klima ausgelegt, dass man darunter wirklich nur Jeans und T-Shirt oder Pulli tragen muss.

Rentierrennen

Die Überschrift sagt eigentlich schon alles. Rentierrennen.

Wir besuchen also ein Dorf der urspünglichen Bewohner dieser Gegend, der Samen. Das Volk der Samen lebt dort oben damals wie heute weit vertreut, von Nordschweden über Norwegen, Finnland bis nach Russland rein. Früher eher nomadisch unterwegs und aufs Züchten von Rentieren spezialisiert leben sie heute zwar schon sesshafter, aber versuchen ihre Traditionen und Riten so gut es geht zu bewahren und weiter zu geben. Bei traditionellem Essen und am heißen Feuer in einem riesigen Tipi lernen wir einiges über das Volk und die Traditionen. Vorher jedoch gehts nochmal so richtig touristisch zu Werke.

Fellnase

Wir werden in zwei Gruppen geteilt um nach einiger Zeit zu wechseln. Erst hören wir einen netten Vortrag über Rentiere und warum sie bis -40°C draußen eigentlich prima klar kommen, warum sie beim laufen so lustig klicken und dürfen uns dann daran versuchen ein Lasso, so zu werfen, dass es sich in Rentiergeweih verfängt. Das lässt man uns Anfängerrenboys (nennt man die so?) aber nicht an echten Rentieren üben, sondern an Rentiergeweihen auf Holzpflöcken. Aber kommen wir zum Rentierrennen. Ein abgezäunter Parcour dient hier für eine Runde mit dem Rentier. Der ungeübte Mitteleuropäer bekommt eine kurze Einweisung sich, egal was da kommen möge, mit der linken Hand am Schlitten festzuhalten und ansonsten durch leichtes schnalzen mit den Zügeln und ordentlich Gebrüll das Zugtier dazu zu bringen möglichst schnell davon zu laufen.

Lenken müssen wir nicht, schließlich ist der Parcour vorgegeben und die Tiere kennen ihn wohl zu gut.

Rentiere sind relativ störrisch und mögen sich nicht so gerne an den Karren spannen lassen. Wenn sie dann dran sind mögen sie gern losstürmen und nicht mehr so gern anhalten, auch wenn man längst im Ziel ist. Unser lokaler Experte jedoch scheint reichlich Erfahrung mit seinen Tieren zu haben und stellt sich 2 Rentierschlitten die wie irre auf ihn zudonnern im Zielbereich in den Weg und hält beide an den Hörner fest und dadurch auf. Dass er dabei mind. 5-8 Meter rückwärts durch den Schnee geschoben wird, scheint ihn nicht zu stören.

Mein Rennen verläuft Kopf-an-Kopf und ich überlasse meinem Gegner das Gebrüll, da ich davon ausging das mein Tier sowieso nicht merkt dass da der Gegner brüllt und es somit, so dicht wie wir beieinander fuhren, für beide Tiere wirken würde. So dachte ich mir, würde ich mehr geistigen Kapazitäten frei haben, um mich auf’s Schnalzen mit dem Zügel und auf’s Festhalten zu konzentrieren. Scheint geklappt zu haben, im Ziel liege ich etwa 20cm vorne – trotz längerer Außenbahn in allen 3 Kurven. Sieg!

Zieleinfahrt

Abendessen

Der Abend rückt näher und man entlässt uns natürlich nicht ohne einen Programmpunkt der dies abdecken würde. Es geht zum großen Dinner in den Speisesaal des Hotels. Die paar etwas besseren Klamotten sind im Koffer schnell gefunden und es kann los gehen. Aus Gründen die ich nicht mehr so genau weiß, komme ich natürlich knapp bevor es losgeht, aber verpasst hab ich nichts. Den Köchen macht das Thema Eis genauso viel Spaß wie uns und so essen wir Kaviar und Fischfilet von Eistellern und natürlich darf auch die Lingonberry ihren Auftritt nicht auslassen. Mehrere Gänge (ich glaube es waren 4 oder 5) später sind wir alle satt und ziehen in die Eisbar um. Leider ist es zwischenzeitlich schon 1 Uhr nachts und so erleben wir die Eisbar nur noch in Ihren letzten Takten und versuchen in die warme Bar umzuziehen. Diese wurde am Vorabend bis weit nach 1 Uhr bespielt aber heute lässt man uns abblitzen. Nach zähem Ringen mit den feierabendwilligen und offenbar umsatzuninteressierten Barkeepern (wir waren immerhin sicher 15 Leute) einigte man sich, das sie uns Flaschenbier verkaufen, welches wir vorn in der Lobby trinken können. Dort gibt es reichlich Sitzgelegenheiten und für ein Hotellobby ist das auch ein recht schönes Fleckchen.

Aber nicht mit nach draußen nehmen!

Ok, whatever?

Immerhin haben wir zwischen diesem ganzen Hin & Her von einer Bar in die nächste das Glück ein schwaches, aber recht deutlich sichtbares Polarlicht zu sehen. Mein bisher erstes und einziges – geil.

So ging der Tag und damit auch die Reise zu Ende. Am nächsten Morgen folgte natürlich noch ein letztes Mal das Frühstück mit Rentiersalami und Lingonberrymarmeldade. ‘Ne halbe Stunde später saßen wir schon im Bus zurück zum größten Flughafen der Region. Zwei Terminals, zwei Türen, zwei Gepäckbänder, zwei Schalter und zwei so Röntgendurchleuchtegepäcksdingse, zwei Flugzeuge – fertig ab.

Für mich folgte noch ein ganzes Wochenende in Stockholm, für die meisten anderen ging es ab Stockholm mit dem ein oder anderen Flieger zurück in alle Winkel von Europa. Wir waren ein lustiger Haufen.

hier noch ein paar Bilder aus Stockholm:

Damit hat diese 3-teilige Serie jetzt doch noch ihren Abschluss gefunden. Weitere Geschichten stehen aber wie immer schon in den Startlöchern.